Die frühere Lungenheilstätte Kolberg: Heute ein Kurheim

von Jens Hansel (Kommentare: 0)

Kaum bekannt ist die Geschichte der früheren Lungenheilstätte in Kołobrzeg (Kolberg)

Heute verbirgt sich ein unscheinbares Kurheim des Außenministeriums am nördlichen Ende der Hafenstraße. Früher befand sich an dieser Stelle eine Heilstätte für Lungenerkrankungen. Dieses hat eine spannende Geschichte, der ein aktuelles Forschungsprojekt auf den Grund gehen möchte.

Es war 1874, als der jüdische Kurgast Oppenheim aus Berlin spendete: Er bot im Juni 1874 dem Kolberger Bürgermeister eine Spende von 500 Talern für die Errichtung eines evangelischen Kurhospitals auf der „Colberger Münde“ an. Damit beginnt die Geschichte der späteren Kolberger Heilstätte Siloah, die gar nicht so lange darauf an der Hafenstraße - der Hafeneinmündung - gebaut wurde. Bezeichnend ist die Offenheit zwischen den Religionen: So spendete der jüdische Kurgast für ein evangelisches Hospital.

Die Stadt Kolberg nahm das Spendenangebot Oppenheims dankend an und beteiligte sich an den Kosten für den Bau des Siloah. Zudem spendete die Kaiserin Augusta, die sich für wohltätige Zwecke wie der Tuberkulosehilfe engagierte, weitere 200 Mark. Diese und offenbar zusätzliche Spenden bewirkten, dass im August 1880 das Grundstück in der Kolberger Hafenstraße 5 für den Bau einer Heilstätte erworben werden konnte. Am 1. Juli 1881 wurde mit der Aufnahme von 42 Patienten die Heilstätte für „scropkulöse Krankheiten“ eröffnet.

In den folgenden Jahrzehnten wurde die Einrichtung stetig erweitert: Schon kurz darauf, 1883, kaufte die Stiftung das Nachbargrundstück in der Hafenstraße 4 an, 1902 das danebenliegende Grundstück mit der Nummer 3, 1912 anschließend die Grundstücke 1 und 2. In den Jahren 1902-1904 wurde auf dem Grundstück Hafenstraße 3 eine neue große Kindertuberkuloseheilstätte errichtet, mit finanzieller Hilfe der Landesversicherungsanstalt Pommern. Sie trug den Namen "Siloah", ein Name der noch heute bei vielen Krankhäusern verwendet wird. 

Siloah heißt ein heiliger Teich in Jerusalem, in dem schon der jüdische König Salamon gesalbt worden sein soll. Außerdem habe hier, so die Bibel im Johannes-Evangelium, eine Wasserschöpf-Prozession stattgefunden, bei der Jesusa einem Blinden mit dem Teichwasser das Augenlicht zurückgab. Darüber hinaus gilt auch den Moslems dieser Teich als heilig. Möglicherweise wurde der Name Siloah also gewählt, weil er als verbindendes Symbol zwischen den Religionen gelten kann, ebenso wie die Krankenhausgründung auf einer interkonfessionellen Geste fußte: Eben der genannten Spende des jüdischen Unternehmers Oppenheim für ein evangelisches Krankenhaus anno 1874.

Nachdem die Heilstätte "Siloah" im Ersten Weltkrieg als Lazarett genutzt wurde, eröffnete die Anlage 1918 als zivile Heilstätte wieder, ab 1928 wurden einige Neubauten auf einer Erweiterungsfläche errichtet.

Trotzdem hatte - nach Krieg und Inflation - die Heilstätte wirtschaftliche Schwierigkeiten, so dass sie erst 1930 mit 193 Erwachsenen und 1603 Kindern, die im Schnitt 7,5 Wochen in Kolberg blieben, wieder voll belegt war. 113 Angestellte waren in der Einrichtung "Siloah" beschäftigt: Auf je 30-40 Kinder kamen also 3-4 Pflegekräfte.

Heute ist nichts mehr von den Bauten Siloahs in der Kolberger Hafenstraße zu sehen, vermutlich fielen sie - wie viele Bauten in diesem Stadtteil dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Heute befindet sich an diesem Standort eine Kureinrichtung des polnischen Außenministeriums, die sich optisch vollständig von der früheren Bebauung unterscheidet. Wie es früher aussah, lässt sich alten Postkarten und Dokumentationen entnehmen (siehe etwa hier: fotopolska.eu). Informationen über die Einrichtung können unter anderem der "Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Christlichen Kurhospitals und der Kinderheilstätte 'Siloah'" ( Hrsg. v. Walter Behrend, Kolberg. 29. August 1931) entnommen werden. 

Der angehende Medizinhistoriker Andreas Jüttemann erforscht in seiner Dissertation über Lungentuberkuloseheilstätten rund um Berlin auch die Heilstätte Siloah in der Kolberger Hafenstraße. Da es leider nur wenige Archivbestände zur Geschichte der Anstalt gibt, ist er auf Mithilfe von Heimat- und Familienforschern angewiesen und freut sich über Anmerkungen und Informationen über seine Internetseite zum Forschungsprojekt, die unter www.lungenheilstaetten.de zu finden ist.

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